Journalisten mit heruntergelassenen Hosen

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Jens Brehl: Damit sich Leser eine Meinung bilden können, braucht es auch Blicke hinter die Kulissen. Wir Journalisten verlangen bei unseren Recherchen Transparenz, selber tun wir uns damit im Einzelnen und die Medien im Allgemeinen oft recht schwer. Wie sinnvoll ist Transparenz?

Daniel Bröckerhoff: Das ist genau das Paradox: Wir verlangen von anderen, dass sie uns hinter die Kulissen blicken lassen und selber wollen wir nichts preisgeben. Gerade was die Bereiche Sonderbeilagen von Zeitungen und Nähe zu Anzeigenkunden angeht, geben Verlage ungern Einblicke. Durch sie könnten Interessenskonflikte bekannt werden. Nicht alles wäre dann noch so sauber, wie man es nach außen propagiert.

Gerade durch das Internet ist es wichtig geworden, so transparent wie möglich zu sein, ohne den Datenschutz, Geschäftsgeheimnisse oder ähnliches zu verletzten. Journalismus lebt von seiner Glaubwürdigkeit. Wenn mir niemand glaubt, dass ich meine Beiträge akkurat erstelle und handwerklich sauber arbeite, dann kann ich im Grunde einpacken.

In den letzten Jahren konnte man die mediale Vertrauenskrise in einigen Teilen der Bevölkerung deutlich sehen. Gerade für die Berichterstattung über die Ukraine-Krise gab es viel Kritik.

Jens Brehl: Wie kann man dem effektiv begegnen?

Daniel Bröckerhoff: Das Einzige, was man an dieser Stelle als Journalist machen kann ist, die Hosen runterzulassen: Offen kommunizieren wer ich bin, was mein Ansatz und meine Werte sind, in welchen Organisationen ich Mitglied bin, wen ich unterstütze und dergleichen.

Allzu oft habe ich das Gefühl, dass Journalisten ihre Meinung transportieren wollen oder gar nicht merken, dass sie es durch die Art wie sie berichten tun. Wir müssen uns bewusst werden, dass wir die Wirklichkeit unser Leser und Zuschauer durch unsere Arbeit beeinflussen.

Jens Brehl: „Lügenpresse“ ist derzeit ein Reizwort und unzufriedene Mediennutzer fordern von den Journalisten „die Wahrheit“ ein. Können wir die überhaupt liefern?

Daniel Bröckerhoff: Das ist eine große Diskussion – wobei es darauf ankommt, wie man Wahrheit überhaupt definiert. Es gibt wahrscheinlich irgendwo eine universelle Wahrheit, die wir Menschen aber gar nicht wahrnehmen können. Wir sehen immer nur einen Ausschnitt und können auch nur den wiedergeben.

So hat jeder Mensch seine eigene Wahrheit, wie auch ein Kämpfer des Islamischen Staats: Für ihn steht fest, sein Gott hat Gesetze erlassen, die alle Menschen auf der Erde befolgen müssen. Dies setzen die Kämpfer mit allen Mitteln durch. Diese Wahrheit gefällt mir nicht. In meinen Augen muss man sie kritisieren, aber zuvor muss ich sie leider so annehmen, wie sie ist.

Die eine von Mediennutzern geforderte Wahrheit ist unmöglich zu erfassen. Wir Journalisten können nur so viele Wahrheiten wie möglich sammeln und sie gegenüberstellen. Auch Fakten sind mitunter schwierig, weil man sie unterschiedlich erheben und auswerten kann. In Syrien oder in der Ukraine ist die Lage zudem so verwirrend, dass man beispielsweise gar nicht mehr weiß, wer zuerst geschossen hat, wer involviert war und wer nicht. Natürlich wünscht man sich jemanden, der das alles aufklärt. Da es wohl aber niemand kann, sind Leser und Zuschauer mitunter frustriert. Wenn diese dann in den Berichten noch Fehler oder Tendenzen nur eine bestimmte Seite zu beleuchten entdecken, werden sie ungehalten.

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