Ob so genannte Ego-Shooter die Gewaltbereitschaft von Spielern fördern, ist weiterhin strittig. Einige Studien sprechen dafür, andere dagegen. Weniger medial thematisiert sind die Verstrickungen von Videospiel-Branche, Militär und Rüstungsunternehmen. Welcher Art sie sind und wie sie sich auswirken, zeigt Politikwissenschaftler Michael Schulze von Glaßner in seinem Buch „Das virtuelle Schlachtfeld“.
Fragt man Hersteller und Publisher von Militär-Videospielen, scheint das Motto „je realistischer desto besser“ zu lauten. Tatsächlich sind in den Spielen schweres Gerät und Waffen durchaus realistisch dargestellt, bis hin zum Geräusch eines Nachtsichtgeräts beim Einschalten. Möglich machen dies Kooperationen mit Rüstungsunternehmen, die Programmierern nicht nur detaillierte Einblicke geben und mitunter für das Zeigen ihrer Produkte in Videospielen Lizenzgebühren erhalten. Neben diesen Einnahmen ist vor allem das öffentliche Renommee für Hersteller von Vorteil, schließlich werden die Waffen in den Spielen meist für „Gutes“ eingesetzt.
Geht es jedoch darum, Menschenrechte und Kriegssituationen aus moralischer Sicht darzustellen, ist von der viel beworbenen Realität kaum noch etwas zu sehen.
Krieg gegen den Terror oder Wir sind die Guten!
Es darf nicht verwundern, warum die meisten Militär-Shooter passende Feindbilder à la arabischer Terrorist auf heldenhafte amerikanische Soldaten treffen lassen, denn dazu heißt es in „Das virtuelle Schlachtfeld – Videospiele, Militär und Rüstungsindustrie“:
„Da die USA der größte Markt für Militär-Videospiele sind und auch die größten Entwickler und Publisher der Spiele in den USA sitzen, dominieren neokonservative Inhalte der US-Außenpolitik die Inhalte aktueller Militär-Videospiele. (…) So wird den Spielern der ‚Krieg gegen den Terror’ als sehr nützlich dargestellt. Die Verflechtungen mit realen militärischen Strukturen tun dabei ihr Übriges. Von fehlenden UN-Mandaten und Verstößen gegen Menschen- und Kriegsrechte ist in den Spielen keine Rede – der virtuelle Krieg ist sauber. Zivilisten kommen auf den Schlachtfeldern nicht vor.“
Autor Michael von Glaßner weiß, wovon er schreibt, denn sämtliche in seinem Buch besprochenen Videospiele hat er durchgespielt. Darin fand er nicht nur gewaltverherrlichende Szenen, sondern solche, die deutlich mehr schockieren müssten. So ist der Einsatz von Folter oft ein gerechtes Mittel und Kriegsgefangene dürfen auch erschossen werden – beides gibt häufig der Spielverlauf schon vor. Die Figuren im Spiel sind und bleiben Helden. Der Spieler selbst kann nicht entscheiden, anders zu handeln. Selbstverständlich wird auch das militärische Eingreifen in souveränen Staaten nicht thematisiert, es ist eben normal.
Für Spieler und Militär
Die deutsche Software-Schmiede Cryteck ist für Blockbuster-Spiele wie „Far Cry“, „Crysis“ und deren Nachfolger bekannt. Doch die Programmierer bringen nicht nur Spiele für das Wohnzimmer hervor, sondern beliefern ebenso Rüstungskonzerne wie Lockheed Martin mit Software für Simulationen. Auch weitere Spiele-Programmierer zählen Rüstung und Militär zu ihrem Kundenstamm.
Schulze von Glaßner gibt in ein in der Öffentlichkeit kaum diskutiertes Thema detaillierte Einblicke. Seit Jahrzehnten beherrscht die Killerspiel-Debatte den Diskurs. Erfrischend ist auch das Alter des Autors, der zum Jahrgang 1986 zählt. So nähert er sich der Thematik nicht aus dem akademischen Elfenbeinturm, sondern ist mit Computerspielen aufgewachsen und sammelt selbst weiterhin Spiel-Erfahrung. In seinem Youtube-Kanal „Games’n’Politics“ veröffentlicht er regelmäßig Berichte über Videospiele aus politischer Sicht.