„Ein starker Mann steht zu seinen Schwächen und lebt seine Gefühle“

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Herbert Grönemeyer war nicht der Erste und wird auch nicht der Letzte sein, der fragt, wann ein Mann ein Mann ist. Wird er es automatisch, wenn er viel leistet, keine Schwächen zeigt, das erste Mal Sex hat oder muss er dazu in den Krieg ziehen und kämpfen? Geht es nach dem Diplom-Psychologen Robert Betz fehlt vor allem die Freude am Mann sein. Eben diesem Thema hat er mit „So wird der Mann ein Mann!“ ein Buch gewidmet, welches das klassische Männerbild infrage stellt aber auch wegweisende Antworten parat hält.

Jens Brehl: Nach Ihrer These steckt der normale Mann in der Krise. Was verstehen Sie unter „normal“ und von welcher Krise sprechen Sie?

Robert Betz: Unter dem normalen Mann verstehe ich, den im hier im Westen unter alltäglichen Bedingungen aufgewachsenen Jungen. Dabei kann man einige Gemeinsamkeiten feststellen, wie beispielsweise eine starke Mutterbindung – ähnlich einer dicken Nabelschnur. Viele Männer können sich auch im Erwachsenenalter nur schwer oder gar nicht lösen. Hinzu kommt, dass vielfach die Väter körperlich abwesend sind, weil sie arbeiten oder emotional abwesend sind, weil sie nicht gelernt haben Gefühle zu zeigen oder darin gar eine Schwäche sehen. Es fehlt der Zugang zur väterlich-männlichen Kraft, die mir über den Vater zufließt und vom Vater eine Verbindung zu den Großvätern, sprich allen Mitgliedern meiner männlichen Ahnenreihe herstellt. In der klassischen Psychologie wird diese Kraft gründlich unterschätzt oder gar nicht wahrgenommen. Sie ist jedoch unerlässlich, damit der junge Mann später im Leben seinen eigenen Weg gehen kann und seinem Herzen folgt. Ansonsten sind Lebenskrisen nahezu vorprogrammiert.

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Jens Brehl: Wie kann eine zu enge Mutterbindung entstehen?

Robert Betz: Sie kann beispielsweise dann entstehen, wenn die Mutter mit ihrem Mann aus unterschiedlichen Gründen als Partner unzufrieden ist. Unbewusst nehmen Sie ihren Sohn als Ersatz, den sie mit „mein Junge“, „mein Bester“ oder „mein guter Junge“ bezeichnen. In solchen Situationen spricht die Mutter mitunter zusätzlich abfällig über den Vater, ermahnt „ihren“ Jungen nicht so zu werden wie er. Als Kinder sind wir in jeder Hinsicht abhängig von den Eltern und oft verbringen sie die meiste Zeit mit ihrer Mutter.

Jens Brehl: Was lernt ein Junge in solch einer Situation über das Mann-sein?

Robert Betz: Er hat in aller Regel keine konkrete Vorstellung. Was er von seinem Vater gelernt hat ist, dass Männer arbeiten und meistens abwesend sind. Im Gegenzug wird ihm vielfach verdeutlicht, was kein richtiger Mann ist, nämlich das Zeigen von Schwächen: er darf nicht weinen, kein Träumer sein und daher verschließen Jungen oftmals sehr früh und konsequent ihr Herz. Dies bringt den „normalen Mann“ ab einen bestimmten Lebensabschnitt an den Rand der körperlichen Gesundheit und ist Auslöser von Lebenskrisen. Den Eltern möchte ich jedoch keine Vorwürfe machen, denn in vielen von ihnen stecken verletzte Kinder, die selber nicht genug von den Nährstoffen Liebe, Aufmerksamkeit und Anerkennung bekommen haben.

Jens Brehl: Was passiert mit den Emotionen, wenn Jungen ihr Herz verschließen?

Robert Betz: Gefühle wie Trauer, Wut, Angst aber auch Freude und Liebe entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern wollen bejahend gefühlt werden. „Negative“ Gefühle wie Ängste kann man nicht einfach wegmachen, sondern man muss sie zunächst akzeptieren, um sie später bewusst transformieren zu können. Unterdrückte Wut, Angst und Ohnmacht suchen sich ansonsten ein Ventil, ob Gewalt auf den Schulhof, Aggressionen im Straßenverkehr oder Mobbing am Arbeitsplatz. Körperliche Krankheiten entstehen maßgeblich dann, wenn Emotionen nicht frei fließen können. Jedem Jungen sollte vermittelt werden, dass es keine „weibische“ Sache ist, sich seinen Emotionen zu widmen und ihnen Raum im Leben zu geben. Dazu gehört, dass sie sie offen zeigen dürfen ohne getadelt oder ausgelacht zu werden.

Jens Brehl: Wie kann der Junge Zugang zu seinem Mann-sein finden?

Robert Betz: Leistung ist zum zentralen Element der männlichen Selbstwertschätzung geworden und es ist an der Zeit diesen Irrglauben zu beenden. Viele versuchen nach außen hin ihre Männlichkeit durch Machoverhalten oder exzessiven Sport über zu betonen. Außen hart und innen butterweich. In Wahrheit befindet sich ein ganzer Mann in Balance mit seinen männlichen sowie weiblichen Aspekten. Er setzt sich intensiv mit seinen Emotionen auseinander und erkennt hierin seine Stärke. Hilfreich sind beispielsweise geführte Meditationen, in denen die Jungen ihren Herzensqualitäten begegnen und lernen Gefühle fließen zu lassen. So früh wie möglich sollte der Junge erkunden, was er wirklich will, was sein Herz zum Singen bringt. Oftmals übertragen Eltern unbewusst ihre Zukunftsängste auf die Kinder und drängen auf „sichere“ Lebensläufe. Viele junge Menschen lehnen die Ratschläge instinktiv ab, wollen anders sein als die Eltern. Junge Menschen brauchen den Freiraum, um sich auszuprobieren zu können. Malochen, anerzogenes Konkurrenzdenken und Ellenbogenmentalität gehören dabei definitiv in die Steinzeit.

Darüber hinaus empfinde ich es als äußerst wichtig, dass der Junge Zeit alleine mit dem Vater verbringt, gemeinsam mit ihm Ausflüge in die Natur macht und dergleichen. Somit lernt er seinen Vater außerhalb seiner Leistungsrolle kennen. Hier entsteht Raum für Vertrauen und offene Gespräche. Eine Frau kann einem Jungen nicht zeigen, wie er in seine Männlichkeit findet.

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