Heute ist der internationale Tag der Pressefreiheit. Doch muss man sich in Deutschland überhaupt Gedanken darüber machen? Muss man Vorwürfe, bei uns gäbe es nur eine eingeschränkte oder gar keine Pressefreiheit überhaupt ernst nehmen? „Unbedingt“, sagte mir Ulrike Gruska von Reporter ohne Grenzen für mein Buch „Zwischen ‚Lügenpresse‘ und konstruktivem Journalismus“. Hier ein Ausschnitt aus dem entsprechenden Kapitel:
„Wenn Medien als zentraler Bestandteil unserer Demokratie an Glaubwürdigkeit verlieren, entsteht ein Vakuum, das andere Akteure füllen. Viele dieser ‚alternativen’ Informationsangebote erwecken allerdings nur den Anschein journalistischer Produkte. Sie verfolgen eine bestimmte Agenda, erhalten viel Aufmerksamkeit und nehmen damit realen Einfluss auf unsere Gesellschaft.“
Als Negativbeispiel nennt sie den Fernsehsender RT Deutsch, der direkt von der russischen Regierung finanziert wird. Gruska selbst hat hauptsächlich aus Russland und dem Südkaukasus berichtet, wo nicht nur das Klima rauer ist, sondern nach ihren Angaben auch die Situation für Journalisten. Das Fernsehen ist dort fest in staatlicher Hand, wer kritisch berichtet, verliert seinen Job – oder wird gar nicht erst eingestellt. Schwammig formulierte Gesetze werden willkürlich gegen Journalisten ausgelegt, unabhängige Gerichte, die ihre Rechte verteidigen könnten, gibt es nicht. Anders als in Deutschland haben Reporter bei Pressekonferenzen oft kaum die Möglichkeit, kritische Fragen zu stellen. Viele Journalisten haben deshalb die Schere schon im Kopf. Denn besonders in kleinen Städten fernab der Metropolen muss auch mit Drohungen und Gewalt gegen sich und seine Familie rechnen, wer nicht anstandslos mitschreibt, was Gouverneure oder ranghohe Verwaltungsbeamte diktieren. Zudem sei es in Osteuropa angesichts geringer Gehälter weit verbreitet, dass Journalisten gegen Geld bestimmte Inhalte veröffentlichen. „Oft gibt es gar keine Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt wie es bei uns üblich ist.“
Im Gespräch mit Gruska wird schnell klar, dass Journalisten hierzulande in vergleichsweise guten Verhältnissen arbeiten. Kritiker zeigten oft auf die Probleme in der Berichterstattung, die es unbestritten auch in Deutschland gibt, verlören aber dabei manchmal die Weltlage aus dem Blick. „Wir haben eine funktionierende Demokratie, in der die Gewalten geteilt sind. Das Bundesverfassungsgericht und andere Gerichte stellen sich immer wieder schützend vor die Presse und verteidigen die Rechte von Journalisten. Im Großen und Ganzen funktioniert unser System und Journalisten müssen nicht, wie in vielen anderen Ländern der Welt, wegen kritischer Nachfragen um ihr Leben fürchten.“ Das bedeutet aber nicht, dass wir uns ausruhen können, denn die Freiheiten gilt es mindestens zu verteidigen, wenn nicht gar weiter auszubauen.
So gibt es bei der täglichen Arbeit von Journalisten auch in Deutschland zahlreiche Stolpersteine, wie im Falle von Ansprüchen auf Auskünfte von Behörden. Jedes Bundesland regelt das durch eigene Informationsfreiheitsgesetze. Theoretisch haben Journalisten ein Recht auf Auskünfte, in der Praxis müssen sie mitunter wochenlang auf Antworten warten oder hohe Bearbeitungsgebühren bezahlen. Deren Verhältnismäßigkeit kann man als Außenstehender nicht immer zweifelsfrei nachprüfen. „Es herrscht ein fortwährender Kampf um Einblick in Behördeninformationen, der oft auch vor Gericht ausgefochten wird“, sagt Gruska. Ein zentrales Problem ist das fehlende Bundespressegesetz, welches die Ansprüche auf Auskünfte auf Bundesebene regelt, denn die Gesetze der Länder gelten nicht für Bundesbehörden.
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