Jens Brehl: Warum widmen Sie sich dem lösungsorientierten Journalismus?
Uwe Krüger: Früher habe ich mich hauptsächlich mit Problemen beschäftigt: Umweltsünden, Risikotechnologien, Kriege, Terrorismus und dergleichen. Zusehends fühlte ich mich ohnmächtig, was sich auch auf meine Psyche auswirkte. Die Beschäftigung mit lösungsorientiertem Journalismus ist auch aus dieser persönlichen Krise heraus entstanden: Ich möchte positive Visionen und „Inseln der Zukunft“ stärken und ein anderes mediales Umfeld fördern. Für mich ist ein Journalismus wünschenswert, der Probleme offen benennt, die Medienkonsumenten jedoch gar nicht erst resignieren lässt.
Doch ohne ein Konzept vom lösungsorientierten Journalismus zu haben, kann er seitens der Kollegen oder Mediennutzer nicht eingefordert werden. Als Wissenschaftler möchte ich den lösungsorientierten Journalismus daher in Theorie, Forschung und Lehre untermauern. Auf diese Weise hoffe ich, zu Diskussionen anzuregen und auch eine entsprechende Erwartungshaltung zu generieren. Vor allem dass Krisen-Berichterstattung nicht nur von der Regierung und der unmittelbaren Opposition handelt, sondern auch von neuen Ansätzen und keimenden Alternativen in der Zivilgesellschaft.
Jens Brehl: Warum ist die Maxime nur schlechte Nachrichten seien gute Nachrichten in der Medienwelt so stark verwurzelt?
Uwe Krüger: Seit Urzeiten sind wir Menschen darauf gepolt, unsere Umgebung nach Problemen und Gefahren abzusuchen, vor denen wir uns schützen müssen. Daher konzentrieren wir uns häufig auf negative Aspekte oder sie fallen uns als erste auf.
Zudem gibt es bei Journalisten auch Berührungsängste, sich mit Lösungen zu beschäftigen, denn das klassische Rollenverständnis heißt: Ich bin neutraler Beobachter und mache auf Missstände aufmerksam, für die Lösung sind andere zuständig.
Viele Berichterstatter möchten sich auch ungern aus dem Fenster lehnen, wenn eine Idee oder ein Projekt Neuland betritt und es keine Erfolgsbeispiele oder wissenschaftliche Studien darüber gibt. Oft engagieren sich in den Initiativen unbekannte Personen aus der Zivilgesellschaft, die mitunter auch als Spinner abgetan werden können.
Lösungen wachsen in der Nische
Jens Brehl: Wie ist es in Deutschland um den lösungsorientierten Journalismus bestellt?
Uwe Krüger: In der Wochenendausgabe der taz gab es beispielsweise von April 2013 bis Oktober 2014 die feste Rubrik „Fortschritt“ über zwei Seiten, was mich grundsätzlich hoffen lässt. Die zarte Pflanze des lösungsorientierten Journalismus wächst aber eher in der Nische der Special Interest-Magazine, wie Oya, enorm oder Humane Wirtschaft. Bei etablierten Verlagen bewegt sich wenig.
So lange etablierte Medien Lösungsansätze größtenteils ignorieren, entstehen als Gegenreaktion Medien mit speziellem Fokus darauf. Dabei könnten gerade klassische Zeitungen, die an Auflage verlieren, mit Lösungsjournalismus wieder Leser gewinnen. Es gab beispielsweise drei Sonderausgaben der taz mit solchen „good news“, die haben sich am Kiosk überdurchschnittlich gut verkauft.
Jens Brehl: Was raten Sie Journalisten, die sich schon heute vermehrt lösungsorientierte Beiträge erstellen möchten, auch wenn diese in der Medienlandschaft (noch) unterpräsent sind?
Uwe Krüger: Übereifer gilt es zu vermeiden. Journalisten sollten realistisch bleiben und individuell passende Geschäftsmodelle entwickeln. So lange sich diese Form von Berichten noch nicht gut genug verkaufen, ist es aus wirtschaftlicher Sicht ein Mix an Angeboten und weitere Standbeine sinnvoll. Alles sollte jedoch moralisch vertretbar sein, damit sich insgesamt ein stimmiges Bild ergibt.
Jens Brehl: Vielen Dank für das Gespräch.