Ich frag den Dienst

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Von 2006 bis 2012 wurde die Journalistin Andrea Röpke vom niedersächsischen Verfassungsschutz beobachtet. Als sie davon Kenntnis erhielt und bei der Behörde nachfragte, wurden die Daten gelöscht ohne der Journalistin Einsicht zu gewähren. Im Gegenteil: Man habe sie angeblich nie beobachtet. Seit etlichen Jahren berichtet Röpke über Rechtradikalismus. Wie viele Journalisten derzeit von deutschen Geheimdiensten überwacht werden, ist unklar. Das Netzwerk Recherche ruft daher mit ihrer Aktion „Frag den Dienst“ Journalisten auf, bei Behörden entsprechende Anfragen zu stellen. Auch ich beteilige mich daran.

Bereits am Montag, den 14. Juli habe ich beim hessischen Landesamt für Verfassungsschutz, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und beim Bundesnachrichtendienst einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Ich möchte wissen, ob und wenn ja, welche Daten über mich gespeichert sind und/oder weitergegeben wurden. Darüber hinaus widerspreche ich ausdrücklich der Löschung der über mich gesammelten Daten, damit ich auch tatsächlich zunächst eine Einsicht erhalten kann. Die erste Antwort habe ich vom hessischen Landesamt für Verfassungschutz mit Datum 25. Juli erhalten: Zu meiner Person seien keine Daten gespeichert.

Rechtssichere Anschreiben dank Onlinegenerator

Dank einem Onlinegenerator vom Netzwerk Recherche sind die rechtssicheren Anschreiben schnell erstellt und per Einschreiben verschickt: Der Nutzer gibt seine Adresse ein, wählt die Dienste aus, die er anschreiben will, und mit einem Klick erstellt der Generator die entsprechenden PDF-Dateien. Da das Netzwerk Recherche die eingegebenen Daten nicht speichert, bleibt der Nutzer anonym. Hinter der Technik steht neben der Programmierarbeit eine aufwendige Recherche der Kollegen, auf welchen Rechtsgrundlagen Anfragen gestellt werden dürfen. Initiiert hat das Projekt der freie Journalist Albrecht Ude. Gemeinsam mit seinen Kollegen vom Netzwerk Recherche möchte er das Ausmaß von möglichen Ausspähungen ermitteln.

Moment mal, geraten wir nicht spätestens dann ins Visier, wenn wir die Anfragen stellen? Doch wovor haben wir Angst? Gestapo und Stasi gehören zum Glück der Vergangenheit an. „Beim Thema Verschlüsselung gibt es ähnliche Argumente, dass man erst recht verdächtig wirkt, wenn man seine Kommunikation verschlüsselt“, sagt Ude. Dabei nimmt man lediglich seine Bürgerrechte wahr, denn im Artikel 10 des Grundgesetztes heißt es: „Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.“ Mit dem Verschlüsseln der Daten hilft der Bürger lediglich technisch nach. Briefumschläge verschließen wir ja auch vor dem Versand.

Die Anfragen bei den Geheimdiensten zeugen laut Ude von bürgerlichem Selbstbewusstsein gegenüber Behörden, deren Arbeit wir mit unseren Steuergeldern finanzieren. „Wir möchten auch zeigen, dass wir das Handeln der Geheimdienste beobachten.“

Die diffuse Angst vor der Überwachung

Vor einigen Wochen habe ich via Skype ein Interview mit einem Ägypter geführt. Mich beschlich dabei ein mulmiges Gefühl, da die Verbindung über Server von Microsoft lief. Dank den Enthüllungen von Edward Snowden wissen wir, dass die NSA darauf Zugriff hat. Beim Interview drehte sich alles um ökologische Landwirtschaft (dazu an anderer Stelle mehr) und ist somit für Geheimdienste harmlos und irrelevant.

„Wir sind davon abhängig, wie die Algorithmen der Überwachungssoftware programmiert sind. Möglich wäre eine Einstellung, dass alle Menschen, die ab einem gewissen Datum Kontakt zu ägyptischen Staatsangehörigen aufnehmen, verdächtig sind. Dann ist Ihr Datensatz mit dabei“, erklärt mir Ude.

Eben diese diffuse Angst führt zu einem (unbewussten) veränderten Verhalten: Vielleicht tätige ich Anrufe oder Aussagen gar nicht mehr, meide bestimmte Orte oder Personen, nur um nicht aufzufallen. Oder ich schrecke als Journalist per se vor bestimmten Themen zurück und fürchte mich davor, unbequeme Fragen zu stellen. Was herauskommt ist ein Schattenbild des Journalismus als vierte Macht und ein Abklatsch von einem selbstbestimmten Leben in einer freien Demokratie.

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