Edward Snowden, ich schäme mich

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Zur Person Edward Snowden brauche ich keine Worte mehr verlieren, wohl die meisten Menschen wissen, wer der Whistleblower ist. Vor kurzem kam der Spielfilm über ihn in die Kinos, den ich mir selbstverständlich angesehen habe. Er hat mich dermaßen erschüttert, dass ich heute einen offenen Brief veröffentliche.

Lieber Edward,

obwohl wir uns nicht persönlich kennen, erlaube ich mir das „du“. Vor kurzem habe ich in meiner Heimatstadt im Kinosaal gesessen und mir den Spielfilm über dich angesehen.

Natürlich kenne ich bereits deine Geschichte und habe auch das Buch von Glenn Greenwald „Die globale Überwachung – Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen“ gelesen. Im Grunde war ich für den Kinofilm bestens vorbereitet und dennoch hat er mich geschockt. Die Bildsprache hat das gewaltige Ausmaß der Datensammelwut gezeigt, aber am meisten war ich über mich selbst empört.

Bereits 2013 hast du dein gewohntes Leben aufgegeben und alles riskiert, um die Öffentlichkeit umfassend über das Vorgehen des amerikanischen Geheimsdienstes NSA zu informieren – und ich habe es in den letzten Jahren noch nicht einmal geschafft, unsichere Dienste wie Skype endgültig den Rücken zu kehren, Linux als neues Betriebssystem zu nutzen, meine Daten und E-Mails konsequent zu verschlüsseln.

Es fallen mir tausende lahmer Ausreden ein, denn in meinem Arbeitsalltag als freier Journalist muss ich in erster Linie darauf schauen, dass sich mein Medienbüro wirtschaftlich trägt. Obwohl ich einmal Kaufmann gelernt habe und daher durchaus rechnen kann, gehe ich viele ungewöhnliche Wege: So veröffentliche ich sämtliche Inhalte meiner beiden Blogs als kulturelle Gemeingüter, damit jeder freien Zugriff auf die Informationen hat.

Zudem investiere ich viel Zeit und Geld in meine Buchprojekte. Daher lebe und arbeite ich im ständigen Spannungsfeld zwischen „ökonomischem Zwang und dem Traum vom Gemeinwohl“, wie es im Untertitel meines Buchs „Herzensfolger“ so schön heißt. Wann soll ich mich denn auch noch um technische Probleme kümmern?

Edward, ich schäme mich. Ich sitze in meinem warmen und sicheren Büro, während es für dich fraglich ist, ob du jemals in deine Heimat zurückkehren kannst. Aber ich gelobe nicht nur Besserung, sondern habe auch schon die ersten zaghaften Schritte unternommen, um meine Kommunikation besser zu schützen.

Ich hoffe, du kannst mir verzeihen, dass ich so lange gebraucht habe, um aktiv zu werden. Tja, was so ein Kinobesuch auslösen kann …

Von ganzem Herzen wünsche ich dir und deinen Liebsten für die Zukunft alles Gute

Jens

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