Zu Besuch auf einem anderen Planeten

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In meinem Alltag begegne ich manchmal einem Menschen mit Behinderung: Im Bus, in der Innenstadt oder auch beim Einkaufen. Wenn es sich ergibt, grüße ich ihn freundlich und widerstehe dem Drang ihn anzustarren. Ich will ja auch nicht, dass mich ständig jemand anglotzt. Doch bei einem Treffen im Café des Fuldaer Antoniusheims rieb ich mir die Augen und wurde das Gefühl nicht los, auf einem anderen Planeten gelandet zu sein.

Wenige Minuten vor der vereinbarten Zeit wartete ich in der letzten Woche vor dem Café des Antoniusheims. An diesem Tag lieferten sich Sonne und Regen einen Wettstreit: Mal gewann der eine die Oberhand, mal der andere. Ich hatte Glück, denn ich konnte noch ein wenig die warmen Sonnenstrahlen genießen, meine Blicke schweifen und die Umgebung auf mich wirken lassen.

Die pure Emotion

Ich schien in eine Parallelwelt eingetaucht zu sein. Im Antoniusheim leben erwachsene Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen. Gemeinsam arbeiten einige von ihnen mit Menschen ohne Behinderungen in den Betrieben des Heims, etwa auf dem Bio-Bauernhof, der Gärtnerei oder in der Backstube.

Noch nie zuvor hatte ich so viele Menschen mit Behinderungen auf einmal gesehen – das war hier völlig normal. Sie waren Teil des Miteinanders. Einige wurden in Rollstühlen geschoben, andere liefen in Arbeitskleidung umher. Es war ja Mittagszeit und so vermutete ich, dass gerade Pause ist.

Ein junger Mann umarmte eine junge Frau; beide haben das Down-Syndrom. Sie schienen sich zu verabschieden, denn ihre Wege trennten sich kurz danach. Ich ging sofort davon aus, dass es sich um ein Paar handeln musste. Kurz bevor sie sich aus den Augen verloren, rief der junge Mann für alle im Umkreis deutlich hörbar „Ich liebe dich!“. Es folgte ein „Ich liebe dich auch!“, von der jungen Frau. „Gut!“ war die Antwort. Ich grinste über beide Backen und freute mich über die pure Emotion der beiden. Ich vermutete, dass sie sich keine Gedanken gemacht haben, wie das Umfeld reagiert. Noch nie hatte ich erlebt, wie jemand mit solcher Inbrunst in der Öffentlichkeit den Liebesbeweis und damit seine wahren Gefühle kundtut.

Das eigentliche Treffen

Im Café ein ähnliches Bild und eine gelöste Pausenstimmung, keine dummen Kommentare oder eine Ausgrenzung in irgendeiner Form. Kurz: Ich fühlte mich wohl. Ich traf mich mit Christoph Helfenbein und Aylin Jordan, beide in der Kommunikation der St. Antoniusheim gGmbH tätig. Angeregte eineinhalb Stunden besprachen wir thematische Schnittpunkte. Kurz gesellte sich auch  Erika Mechler zu uns, die ich noch vom Besuch von Schauspieler Andreas Hoppe auf dem Antoniushof kannte. Sie unterstützt als Redakteurin des vom Antoniusheim herausgegebenen „Seitenwechsel – Magazin der Machbarschaft“. Uns beiden hatte der Tag viel Spaß gemacht.

Worüber wir sonst noch gesprochen haben, geben wir zeitnah bekannt. An dieser Stelle wollte ich meine Eindrücke vom Besuch schildern, denn: Hinterher fragte ich mich schon, warum mir ansonsten so wenige Menschen mit Behinderungen in meinem Alltag begegnen und warum ich noch nie einen als Arbeitskollegen hatte oder getroffen habe.

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