Die taz erscheint in einer Genossenschaft, widmet sich ökologischen und sozialen Themen, Print-Abonnements gibt es auch zu ermäßigten Preisen und auf der Internetseite sind die Artikel sogar kostenfrei zu lesen. Wer möchte, kann freiwillig einen finanziellen Beitrag leisten. „Journalismus ist für uns kein Geschäftsmodell, sondern ein Anliegen“, heißt es im Gemeinwohl-Bericht. Scheinbar beste Voraussetzungen und dennoch erreicht die taz nur 395 von 1.000 möglichen Punkten. Ausgerechnet den Mitarbeitern gewährte Freiheiten erweisen sich als Stolpersteine.
Für Geschäftsführer Andreas Bull ist das Ergebnis weder gut noch schlecht. „Die Punktzahl ist erst einmal nicht so wichtig.“ Tatsächlich spielt sie in der Gemeinwohl-Ökonomie zunächst eine eher untergeordnete Rolle. Gerade beim Erstellen der ersten Bilanz steht viel eher das komplette Durchleuchten aller Geschäftsbereiche im Vordergrund, um zu ermitteln, wie sehr ein Unternehmen generell dem Gemeinwohl dient. Da eine Gemeinwohl-Bilanz zwingend veröffentlicht werden muss, gehört auch eine Portion Mut dazu, nicht nur seine Licht-, sondern auch seine Schattenseiten zu präsentieren.
Freiheiten bescheren Punktabzug
Die taz ist eine selbst verwaltete Zeitung und bietet bewusst durch wenige Strukturen Mitarbeitern viele Freiräume. „Wer sich entscheidet, bei der taz zu arbeiten, bringt in der Regel ein hohes Bewusstsein für ökologische und soziale Belange mit. Die taz-Berichterstattung trägt hier zu einer weiteren Sensibilisierung aller Mitarbeiter bei. Schulungen der Mitarbeiter zu diesen Themen gibt es nicht“, heißt es im Bericht.
Da es keine klaren und vor allem verbindliche Regeln gibt, gewährte Freiheiten auch zum Wohle der Allgemeinheit zu nutzen, gibt es bei der Bilanz vielfach Punktabzug. Im Bericht heißt es dazu: „Außerdem sind Verantwortlichkeiten nicht immer klar definiert. Wie das zu bewerten ist – darauf haben wir uns bei der Erstellung des Berichts nicht einigen können. Einige taz-Mitarbeiter erleben das als Freiraum für eigenes Engagement, Mitbestimmung und individuelle Entscheidungen. Andere kritisieren, dass damit Intransparenz und die Verschleierung von Hierarchien einhergehen und dass Entscheidungen unberechenbar und willkürlich seien.“
Ein weiteres Manko ist der Verdienst, denn das Gehalt der Redakteure liegt ein Drittel bis die Hälfte unter dem Tariflohn. Es gehört demnach auch eine Portion Idealismus dazu, bei der taz zu arbeiten.
Beschränkter wirtschaftlicher Einfluss
So sehr die taz journalistisch über Zusammenhänge aufklärt, ist der Einfluss unser Wirtschaftssystem ökologischer und sozialer zu gestalten in mancher Hinsicht stark eingeschränkt. So nutzen die Druckereien bislang nur für die taz recyceltes Papier. Auch kann keine Spedition, die die Zeitungen von den Druckereien bundesweit an die Kioske verteilt, nach sozialen, ökologischen oder regionalen Kriterien ausgewählt werden. Mit der Logwin AG gibt es nur einen Anbieter.
Beauftragte Trägerdienste stellen die Zeitungen den Abonnenten zu. Auch hier kann die taz keine eigenen Kriterien bei der Auswahl geltend machen, da es auch hier regional keine Konkurrenz gibt. Es gibt zwar die Möglichkeit seine Zeitung per Post zustellen zu lassen, doch dann ist diese oft erst am Nachmittag im Briefkasten.
In Sachen Finanzen arbeitet die taz hauptsächlich mit der sozio-ökologischen GLS Bank zusammen. Das Lastschriftverfahren für den Masseneinzug für die Abonnenten wickelt die taz aber über die Postbank ab, die zum Deutsche-Bank-Konzern gehört. Die GLS Bank bietet diese Dienstleistung nicht an. Jedoch verteilt die taz die eingezogenen Gelder im Verhältnis 2:1 auf GLS und Berliner Volksbank. Dieses Vorgehen erinnert mich an meine tägliche Wahl zwischen Pest und Cholera.
Die taz muss sich noch mehr engagieren
„Wir müssen uns mehr einschalten in den Diskussionsprozess. Ich halte die taz für faktisch wesentlich mehr dem Gemeinwohl dienend aufgestellt als es die Bilanz ergibt“, sagt Bull. Man müsse sich künftig stärker mit anderen Gemeinwohl-Unternehmen vernetzen und politische Ziele markieren. „Innerbetrieblich muss es gelingen, eine ‚Massenbasis’ für die Teilnahme an diesem Prozess zu gewinnen.“
Mit dem Anschluss als erster Zeitungsverlag an die Gemeinwohl-Ökonomie hat die taz zumindest ein deutliches Zeichen gesetzt.
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