Geschafft: 10.000 Exemplare der zweiten Ausgabe von Shift sind an den Kiosken angekommen. Titelthema ist „Break“, also Pause, Auszeit, Entschleunigung aber auch Umbruch. Der Schwerpunkt zieht sich nicht nur durch die Ausgabe und wird dabei von unterschiedlichen Seiten beleuchtet, sondern er gibt weitere Einblicke in die Arbeitsweise von Herausgeber Daniel Höly.
Mal eben ein Unternehmen gegründet, ein 120 Seiten starkes Magazin mit Inhalt gefüllt, viel geschrieben, noch mehr recherchiert, stundenlange Interviews geführt, Texte der anderen Autoren redigiert, den nationalen Vertrieb organisiert, mit Druckereien verhandelt und „nebenbei“ eine Crowdfunding-Kampagne erfolgreich durchgeführt. Mit dieser Aufzählung erhebe ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber eines steht fest: Nach Pause und Entschleunigung klingt das nicht.

Ja, das ist Samuel Koch auf dem Cover. Sein Interview ist der Auftakt der neuen Ausgabe – noch vor dem Editorial.
Lang lebe der Widerspruch
„Eine Ausgabe über Break zu machen und selbst gestresst und überladen zu sein, das ist doch ziemlich geheuchelt, oder? Da will ich ein ganzes Magazin zum Thema ‚Pause’ veröffentlichen und schaffe das nur, indem ich mir selbst keine gönne. Verrückt. Geradezu zynisch“, schreibt Höly im Heft.
Eben dieser Widerspruch zwischen Ideal und Wirklichkeit macht die Debatte rund um die Informationsflut und wie oder ob man ihr Herr werden kann so lebendig. Genau in diesem Dilemma befinden sich nicht nur Shift-Leser, sondern ein großer Teil unserer Gesellschaft. Mit den ehrlichen Einblicken gelingt es Höly und anderen Autoren authentisch zu sein, ohne inszeniert zu wirken.
2012 lief der Dokumentarfilm „Speed – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Florian Opitz in den Kinos. Ein Interview mit ihm darf angesichts des Themenschwerpunkts nicht fehlen. Auch der Filmemacher durchlebte während der Arbeiten an seinem Werk stressige Phasen, wie er zugibt: „Ja, das war die anstrengendste Zeit meines Lebens. Ein einziger Widerspruch. (…) Genauso ist es ein Widerspruch, einmal um die Welt für diesen Film zu reisen. Da habe ich Gebrauch von Infrastrukturen gemacht, die Teil dieser Beschleunigungsmaschinerie sind. Deswegen möchte ich auch nicht als Ratgeber dastehen. Ich bin nur eine Person, die versucht hat, diese Widersprüche auszuloten und auf den Punkt zu bringen.“
Informationen und Nachrichten sind rund um die Uhr und dank mobiler Geräte ständig verfügbar. Wir müssen daher nicht mehr das Angebot weiter ausbauen, sondern lernen besser mit ihm umzugehen. Denn vielerorts sind wir schon süchtig nach den Neuigkeiten und können uns ein Leben ohne Smartphone und andere digitale Helfer kaum noch vorstellen. Zudem hecheln Mensch und Medienmaschinerie der Aktualität hinterher und bleiben gerade deswegen oberflächig. Man fühlt sich zwar informiert, weiß im Grunde aber so gut wie nichts. „Aber der Mensch muss lernen, sich nicht als Sklave, sondern als Meister dieser Situation zu verstehen“, schreibt Anne Klotz. Das Rad möchte kaum einer komplett zurückdrehen, denn das Internet bietet auch etliche Vorteile.
Jonathan Steinert richtet sich daher per Brief an seine geliebte Information: „Und es ist ja auch nicht so, dass ich dich nicht mögen würde. Ohne dich zu leben kann ich mir nur schwer vorstellen. Ich möchte eine Beziehung auf Augenhöhe mit dir führen. Aber um sich scharf sehen zu können, ist der richtige Abstand wichtig.“
Printkrise versus Crowdfunding und unternehmerischen Mut
Die Auswahl und Qualität der Texte gepaart mit dem ansprechenden Layout erweckt schnell den Eindruck, Shift würde in einem großen Verlag erscheinen. Tatsächlich steht dahinter Daniel Höly, ein einzelner freier Journalist. Was als Thema für seine Diplomarbeit – ein gedrucktes Magazin für Digital Natives – begann, nahm bald konkrete Formen an. Per Crowdfunding sammelte er über 7.000 Euro ein, um 2013 die erste Ausgabe von Shift für Menschen mit Mut zur Veränderung drucken zu können.
Er selber hat nicht nur unzählige Arbeitsstunden, sondern auch viel Geld investiert, um weiter an Shift zu arbeiten. Sein Ziel war, regulär vier Mal im Jahr eine reguläre Ausgabe zu veröffentlichen. Dafür gründete er nicht nur sein Unternehmen creedoo, sondern in einer zweiten Crowdfunding-Kampagne landeten knapp über 15.000 Euro im Topf und Shift am Kiosk. Noch während der Kampagne musste Höly unternehmerischen Mut beweisen, wie er in einem Interview im Freigeber-Blog verrät. Beispielsweise als gerade einmal die Hälfe der erforderlichen Summe eingesammelt war, musste der Herausgeber bereits das Spezialpapier bei der Druckerei bestellen.
Schlagworte wie „Printkrise“ und „Print ist tot“ mag ich persönlich nicht mehr hören. Natürlich hat sich durch das Internet viel verändert und manch einer hat den digitalen Wandel schlicht verschlafen. Doch Print und Online schließen sich nicht aus. Und wenn ein einzelner Journalist ein solch ansprechendes Magazin auf den Markt bringen kann, dann sollte es finanzstarken Verlagen ebenso gelingen.
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