Pressefreiheit? Doch nicht bei mir!

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Werde ich in letzter Zeit nach meinem Beruf gefragt, verziehe ich immer häufiger gequält das Gesicht und möchte am liebsten gar nicht antworten. Murmele ich dann „Journalist“, dauert es nur wenige Sekunden, bevor es losgeht: „Aber in Deutschland gibt es überhaupt keine Pressefreiheit, alles ist gelogen und alle schreiben das Gleiche.“ Ehe ich es mich versehe, stecke ich wieder einmal in einer Diskussion, die mich an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erinnert. So paradox es klingt: Einige Forderer einer freien Presse beschweren sich (lautstark), wenn Medien tatsächlich frei berichten. In vielen Punkten sind die Vorwürfe daher scheinheilig.

Eins vorweg: Kritische Stimmen zu der Arbeit von Medien sind nicht nur berechtigt, sondern es ist wichtig, auf Missstände öffentlich hinzuweisen. Wie man jedoch so schön sagt, muss man auch das Echo vertragen können.

Ja, die Presse lügt.

Die viel gescholtene Lügenpresse gibt es. So verbreiten beispielsweise Radiosender bewusst Unwahrheiten, um mehr Aufmerksamkeit zu erregen, wie Sandra Müller von der Initiative „fair radio“ verriet. Natürlich ist es für Verlage verlockend, Anzeigenkunden ein attraktives Werbeumfeld zu bieten. Recherchen kosten neben Zeit vor allem auch Geld und so greift man öfter auf bereits formulierte Pressemitteilungen zurück. Auch haben es Themen abseits des Mainstreams schwer, wie auch von Dr. Tobias Eberwein, Geschäftsführer der Initiative Nachrichtenaufklärung, zu erfahren ist. Allerdings sollte man nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, denn ausgewogene Berichterstattung gibt es ebenso, wie auch herausragende Medienprojekte. Einige von ihnen stelle ich regelmäßig in meinem Medienblog vor.

Eines ist allerdings paradox: Mitunter sind gerade diejenigen, die (öffentlich) eine freie Presse fordern, die ersten, die sich bei freier Berichterstattung beschweren. Hier zwei Beispiele aus meinem Arbeitsalltag, die sich so oder so ähnlich täglich auch bei meinen Kollegen bundesweit abspielen.

Einmal Schleichwerbung, aber zackig!

„Ihr letzter Beitrag ist bei unserer Geschäftsleitung gar nicht gut angekommen“, sagte mir ein Pressesprecher am Telefon. Was war passiert? Bei meinem Beitrag hatte ich mich an den zeitlichen Ablauf der Ereignisse orientiert, alle Fakten genannt und alle Beteiligten zu Wort kommen lassen und keinerlei persönliche Wertungen einfließen lassen. So weit, so korrekt. Allerdings hatte ich bei einem Unternehmen einen Teil der im schönsten Marketing- und PR-Sprech formulierten schriftlichen Antwort à la „unsere Produkte sind ganz toll, wir sind ganz toll, wir achten ganz toll auf Qualität“ nicht veröffentlicht. Und eben das hätte doch bitte ganz zum Schluss noch einmal deutlich gemacht werden müssen. Meinte zumindest der Pressesprecher.

Werbebotschaften haben allerdings im redaktionellen Teil nichts verloren und gehören – wie der Name schon ahnen lässt – in den Werbeblock. Hier ist auch der Pressekodex bei Ziffer 7 „Trennung von Werbung und Redaktion“ eindeutig:

Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein. Pressekodex

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