Der monatliche Wahnsinn Marke „Die Anstalt“

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Nicht jeder Journalist ist glücklich, dass etliche Zuschauer Satire-Sendungen wie „heute show“, „extra 3“ oder „Die Anstalt“ als bessere Informationsquellen bezeichnen. Schließlich erfahre man endlich die ungeschminkte Wahrheit. Doch tatsächlich geht kritischer und wahrhaftiger Journalismus mit Satire Hand in Hand. Anlässlich des fünfjährigen Bestehens von „Die Anstalt“ erschienenem Buch „Die Rache des Mainstreams an sich selbst“ geben Macher, Gäste und Journalisten Einblicke hinter die Kulissen.

Zunächst klingt es wie ein journalistischer Traum: Man hat einen Monat Zeit, sich in ein frei gewähltes Thema zu vergraben und in die Tiefe zu recherchieren. Danach darf man es bissig dem Publikum präsentieren, stets mit den Lachern auf seiner Seite.

Westend Verlag, 20,00 Euro

Doch hinter den Kulissen wartet der Albtraum, wie der als Gast in der Sendung auftretende Kabarettist HB Butzko, in einem Kapitel schildert. Das Skript erhält man etwa vier Tage vorher. Man müsse sich den Text schnell ins Hirn hämmern, denn Sketche wollen noch im Team einstudiert werden. Einen Abend vor der TV-Premiere erfolgt ein Testauftritt vor Publikum. An Bühnenbild und Inhalten wird danach weiter gefeilt, die Neuerungen geprobt. Bis kurz vor der Sendung kann sich der Text nochmals ändern. Dann heißt es ohne Teleprompter live vor Studiopublikum spielen. Ein Wahnsinn, der starke Nerven fordert.

Die braucht mitunter auch das Publikum, beispielsweise als in der Sendung vom März 2015 plötzlich der Grieche Argyris Sfountouris auf der Bühne saß. Durch SS-Soldaten verlor er 1944 als Vierjähriger seine Eltern. Er erzählte von verweigerter Wiedergutmachung und wie sich Deutschland aus seiner Kriegsschuld gemogelt hat. Ein anderer Blick auf die griechische Schuldenkrise.

Schlampige Recherche?

Über das Geburtstagskind sagt man natürlich nur Gutes und folglich ist das Buch voll des Lobes aus dem nahen und fernen Umfeld der Sendung. Doch zum Glück steuerte Katja Thorwarth, Redakteurin der Frankfurter Rundschau, ein Kapitel bei. Sie zeigt darin auch Recherchefehler auf, so wurden für die Sendung vom 23. September 2014 zu „Krieg und Frieden“ Schlagzeilen diverser Zeitungen aus dem Zusammenhang gerissen. Die Presse habe in der Ukraine-Berichterstattung entweder Fakten nicht genannt oder falsch berichtet. „Was die Herren und Dame dort [in der besagten Sendung, Anmerkung Jens Brehl] als westliche Anti-Russland-Kampagne effektgewaltig anprangern, hält teils keiner Google-Recherche stand.“ Thorwarths Kritik: Durch die unsaubere Arbeit hätte die Sendung die „Lügenpresse“-Diskussion à la Pegida & Co. noch befeuert.

„Die Anstalt“ hat TV-Momente geschaffen, die sich ins Bewusstsein förmlich eingebrannt haben. Dem Format gelingt es Wortungetüme wie Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zu erklären und die Auswirkungen bildlich erlebbar zu gestalten. Die Möglichkeiten komplexe Themen anschaulich und mit einer gehörigen Prise Humor zu behandeln ist ein Geschenk des öffentlich-rechtlichen Fernsehens an seine Zuschauer. Auch der Blick hinter die Kulissen wird dem Leser etliche Aha-Momente bescheren.

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