Charlie Hebdo ist da

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Letzte Woche hat die französische Satire-Zeischrift Charlie Hebdo den Sprung über den Rhein gewagt und ist nun in deutscher Sprache auch bei uns erhältlich. In der ersten Ausgabe haben sich die Zeichner auf Angela Merkel eingeschossen, spielen auf ihre mögliche vierte Amtszeit (Merkel im Rollstuhl) und auf den VW-Abgas-Skandal an. Doch kann französischer Humor in gedruckter Form bei uns punkten?

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Bild: Jens Brehl – CC BY-NC-SA 4.0

Die erste deutsche Ausgabe ruft ein durchwachsenes Medienecho hervor. So merkt beispielsweise Alexander Becker an, dass es sich um eine auf deutsch übersetzte Zeitschrift handelt und man daher „weit weg von der Lebensrealität in Deutschland“ ist. Man spüre das Fehlen einer deutschen Redaktion.

Viel Frankreich für vier Euro

Die Erstausgabe ist lediglich 16 Seiten stark und kostet dafür stolze vier Euro. Einige Seiten sind zwar speziell für den deutschen Markt gefüllt worden, doch der Humor zündet selten. Der Rest widmet sich Frankreich und mit dem dortigen öffentlichen Diskurs kennen wir uns hierzulande zu wenig aus, denn wem ist schon der Politiker Francois Fillons ein Begriff? Anders betrachtet ist dies auch eine Chance, über den Tellerrand hinaus zu blicken und sich mit dem direkten Nachbarn stärker zu beschäftigen.

Das Editorial verspricht Angela Merkel und Frauke Petry (AfD) aufs Korn zu nehmen. Während Merkel überpräsent ist, kommt Petry lediglich in einer Zeichnung vor – und wie könnte es anders sein, man bemüht einen Hitler-Witz („Den Scheitel hat sie schon. Fehlt nur noch das Bärtchen!“). Das geht origineller.

Der Humor der Macher ist generell umstritten. Im Sommer diesen Jahres stellte beispielsweise die Zeichnerin Coco italienische Erdbebenopfer als diverse Nudelgerichte dar und erntete vor Ort Entrüstung. Ihre Antwort laut Tagesspiegel „Nicht ‚Charlie Hebdo’ baut eure Häuser, sondern die Mafia.“

Die Stärken von Charlie Hebdo …

… liegen zumindest in der ersten deutschen Ausgabe eindeutig in den Artikel. Tatsächlich versteht sich das Medium weniger als Satirezeitschrift, sondern als echte Zeitung. Mit für deutsche Leser mitunter ungewohnten deutlichen Worten wird die Atomlobby abgewatscht aber auch der Bürgermeister der schwedischen Stadt Växjö interviewt. Er zeigt auf, wie sich das gesellschaftliche Leben und die regionale Wirtschaft ökologisch neu orientieren und Växjö daher als die „grünste Stadt Europas“ gilt. Vom Niedrigenergiehaus, Fördern des öffentlichen Verkehrs und Gemeinschaftsgärten in der Stadt reicht die Palette.

In einem anderen Artikel kommen Deutsche aus den unterschiedlichsten Berufen und gesellschaftlichen Bereichen zu Wort, die über das Leben in unserem Land erzählen.

Sind wir noch Charlie?

Man ist gewillt, den Mut der Redakteure zu feiern, nachdem am 7. Januar 2015 Islamisten einen Anschlag auf die Redaktion verübten und dabei elf Mitarbeiter erschossen und weitere schwer verletzt haben. Seitdem produzieren die verbliebenen Zeichner unter ständigem Polizeischutz weiter. Dem Anschlag vorausgegangen war der Abdruck einer umstrittenen Darstellung des im Islam als Propheten geltende Mohammed.

Der Anschlag löste eine weltweite Welle der Solidarität aus („Je suis Charlie“ – „Ich bin Charlie“). Daher ist auch das Medienecho zur ersten deutschen Ausgabe groß. Möchten die Herausgeber auf dem deutschen Markt bestehen, sollten sie sich allerdings qualitativ gehörig steigern und stärker am Puls unseres politischen Diskurses sein. Dann wird sich auch zeigen, wer von denjenigen, die damals „Charlie waren“, den Weg zum Kiosk findet oder gar ein Abonnement abschließt.

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