Mangelnder Nachrichtenwert?
Aber nicht nur mangelnde Zeit oder knappe finanzielle Mittel sind Hürden, an denen Themen scheitern können. „In den Redaktionen wird nach Nachrichtenwerten gefragt und die vernachlässigten Themen sind in der Regel solche, wo die klassischen Nachrichtenwerte wie Nähe, Aktualität etc. nicht greifen – oder schlicht nicht gesehen werden“, erklärt Eberwein.
Ein gutes Beispiel in dieser Hinsicht ist der geplante Dokumentarfilm von Konstantin Muffert über die Auswirkungen des kanadischen Teersandabbaus. TV-Sender lehnten Mufferts Angebot ab, „das Thema sei zu komplex“. Darüber hinaus erkennen manche auf das Projekt angesprochene Redaktionen keinen Nachrichtenwert. Doch Mufferts Dokumentation bietet gleich mehrere Ansätze: Klimawandel, Peak Oil (das Ende des billigen Erdöls bei Überschreiten des Fördermaximums), Umweltverschmutzung und die Diskussion über ein EU-Importverbot für das schmutzige Erdöl aus Teersand. Dass mit Andreas Hoppe ein bekannter Schauspieler, der sich wahrhaftig für den Umweltschutz engagiert, am Projekt mitarbeitet, zieht auch nicht überall.
Doch auch die Hetze nach Aktualität wirkt wie eine Sense auf der Wiese der Themenvielfalt. Immer noch versucht manche Zeitung dem Internet hinterher zu rennen, genauso aktuell zu berichten und möglichst viele Ereignisse aufzulisten. Laut Eberwein liegt die Stärke im Printbereich deutlicher beim Einsortieren, dem Herstellen von Zusammenhängen und Hintergrundberichten. Wie ein gedrucktes Magazin für Digital Natives aussehen kann, zeigt beispielsweise Daniel Höly mit Shift.
„Das Zeitungssterben passiert nicht nur deswegen, weil das klassische Geschäftsmodell den Platz zwischen Anzeigen mit Nachrichten zu füllen nicht mehr funktioniert und dadurch kaum noch Renditen abwirft.“ Vielmehr sei der Leser zunehmend vom Einheitsbrei der Medien schlicht genervt. „Die Agenda, was in den Nachrichten berichtet wird, diktieren eine Hand voll Agenturen und Konzerne. Auch im Bundestag wird nicht mehr recherchiert, sondern nur noch mitgeschrieben. In jeder Zeitung lesen Sie dann dasselbe“, resümiert Bröckers im Beitrag „Echter Journalismus wird honoriert“.
Darüber hinaus sei angemerkt, dass Journalisten manchmal „aktuell“ mit „relevant“ verwechseln. Wenn vor zwei Minuten in China ein Sack Reis umgefallen ist, wäre dies eine aktuelle Meldung – aber sicherlich keine relevante.
Bereits in den achtziger Jahren formulierte Neil Postman eine Frage, anhand derer man relevante Informationen erkennen kann: „Wie oft kommt es vor, dass die Informationen, die ich morgens dem Radio, dem Fernsehen oder der Zeitung entnehme, mich dazu veranlassen, meine Pläne für den Tag zu ändern oder etwas zu tun, was ich sonst nicht getan hätte, und wie oft verhelfen mir diese Informationen zu Einsichten in Probleme, die ich lösen soll?“
Optimistisch, aber…
Eberwein betont ein Optimist zu sein. Dennoch geht er nicht davon aus, dass sich die Rahmenbedingungen für guten Journalismus in naher Zukunft bessern. „Ich vermute, dass sie sich sogar noch weiter verschlechtern und sich der wirtschaftliche Kampf im Printbereich weiter verschärfen wird.“ Auch künftig würde sich für manche Themen bei etablierten Medien kein Raum finden lassen. Dank Blogs und den sozialen Medien sei die Möglichkeit Themen zu publizieren deutlich gewachsen – wenn die Finanzierungsfrage auch hier geklärt werden muss.
Wer übrigens Lust bekommen hat, ein aus seiner Sicht vernachlässigtes Thema der INA zu melden, der kann dies auf deren Internetseite tun.
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