Die Menschheit ist mit zahlreichen, scheinbar unlösbaren Umweltproblemen konfrontiert: Über Jahrtausende strahlender atomarer Abfall, sich in der Natur ausbreitende Gentechnik, der Ressourcenhunger des grenzenlosen wirtschaftlichen Wachstumswahns, aus Profitgier vernichtete Regenwälder und vielem mehr. Woran manche verzweifeln, daraus schöpfen andere wiederum Motivation und Kraft, im Rahmen ihrer persönlichen Möglichkeiten die Welt nachhaltig zu verändern.
Schluss mit Plastik
Im Spätsommer 2009 verbringt Sandra Krautwaschl aus Eisbach bei Graz ihren Familienurlaub in Kroatien. Im Meer treibt jede Menge Plastikmüll, der täglich an den Strand gespült wird. Wenige Monate später schaut sich die 39-jährige Physiotherapeutin den Dokumentarfilm Plastic Planet von Werner Boote im Kino an. Sie ist geschockt: „Wir verschleudern wertvolle Ressourcen, nur um sie anschließend als Müll weg zu werfen. Das Ausmaß ist unglaublich. Zudem dachte ich, von Plastik gehe keinerlei Gesundheitsgefahren aus. Heute sehe ich das anders, besonders bei Kinderspielsachen und mit Kunststoff verpackten Lebensmitteln“, sagt die Mutter dreier Kinder. Als Laie könne man nur schwer nachvollziehen, wie sich die unterschiedlichen Chemikalien auf die körperliche Gesundheit auswirken.
Innerhalb der fünfköpfigen Familie entbrennt eine lebhafte Diskussion mit dem Entschluss, für einen Monat keine Produkte des täglichen Bedarfs aus Plastik zu kaufen oder solche, die darin verpackt sind. „Am liebsten kaufe ich Bioprodukte, doch gerade diese sind leider oft in Plastik verpackt, wobei ich etliche konventionelle Produkte gefunden habe, die darauf verzichten.“ Anscheinend hat die Biobranche in diesem Bereich noch Nachholbedarf. Wenn Sandra Krautwaschl einkaufen geht, ist sie leicht zu entdecken: Sie ist diejenige, die lose Ware in ihre mitgebrachten plastikfreien Behälter abfüllt. Einige Lebensmittel wie Reis oder Müsli können in manchen Läden lose gekauft und in eigene Behältnisse gefüllt werden. Zahnbürsten gibt es aus Holz mit Naturborsten, statt Shampoo ist Haarseife oder Wascherde eine Alternative, Getränke gibt es in Glasflaschen – die Liste ließe sich durchaus fortsetzen.
Manchmal ist es jedoch vonnöten, auf die Suche zu gehen. Dennoch möchte kein Familienmitglied von Anstrengung oder gar Verzicht sprechen. „In erster Linie ging es darum, die Begeisterung zu erhalten und auch unsere drei Kinder zu motivieren. Daher sind wir das Experiment locker und mit Freude angegangen. Schließlich ändern sich Gewohnheiten dann nachhaltig, wenn Lösungen auch auf Dauer funktionieren können“, meint die umweltbewusste Mutter. „Der Spaß bleibt auf der Strecke, wenn man sich selbst in Geiselhaft nimmt und alles rigoros regelt. Zudem geht es uns nicht darum alle Menschen zu bekehren, sondern wir bleiben bei uns und kümmern uns um die Angelegenheiten, die wir beeinflussen können.“ Als der Kontakt mit Regisseur Werner Boote Kontakt zustande kommt, entsteht ihr Blog keinheimfuerplastik.at. Das einmonatige Experiment dauert bis heute an und ist längst zu einer neuen Lebenseinstellung geworden.
Weniger ist mehr
Philipp Steinweber aus Rodgau ist freiberuflicher Mediengestalter und Webdesigner. Der Mittzwanziger ist Veganer, praktiziert regelmäßig Yoga, genießt Gemüse aus dem eigenen Garten und repariert lieber seinen gebrauchten MP3-Player anstatt sich im nächsten Elektroladen ein neues Gerät zu kaufen.
Eines seiner zahlreichen Schlüsselerlebnisse sein Leben nachhaltig zu prägen war die Erkenntnis, einem Computer die unmöglichsten Ergebnisse zu entlocken, dafür aber unfähig zu sein die eigenen Lebensmittel anzubauen. Philipp hat sich zusammen mit seiner Freundin Mirjam Müller dazu entschlossen, das eigene Leben weitgehend zu vereinfachen. Die beiden jungen Menschen glauben dem Marketing kein Wort, welches ihnen einreden möchten, sie bräuchten alle möglichen Produkte und stets das Neuste vom Neuen um glücklich zu sein. Dennoch spricht keiner der beiden von Verzicht oder Mangel. „Unseren Lebensstil empfinden wir als Gewinn, da wir uns erlauben, unser Bewusstsein und unsere Gedanken im Alltag zu leben. Kunden von Discountern beispielsweise müssen bewusst oder unterbewusst eine Art Schutzwall errichten, um nicht darüber nachzudenken, unter welchen Bedingungen die dort angebotenen Produkte mitunter hergestellt wurden oder welcher Preisdruck auf die Lieferanten ausgeübt wird. Wir gestatten uns, die Realität wahrzunehmen und mit Freude selbstbestimmt zu handeln.“
Wenn das junge Paar einen Kauf tätigt, so muss das Produkt möglichst ökologisch hergestellt oder zumindest lange haltbar und möglichst reparaturfähig sein. Die Lebensphilosophie wirkte sich auch auf den Beruf aus: 2009 reiste Philipp für ein halbes Jahr durch Indien und hatte dadurch viel Zeit über sein Leben nachzudenken. Damals war er für die Automobilindustrie tätig, doch mit seinem Herzen war dies nicht länger vereinbar. Der innere Spagat zwischen eigener Lebensphilosophie und die des Unternehmens wurde immer anstrengender. Zudem sah der junge Mann die Gefahr, dass der ökologische Gewinn seiner Lebensweise verpufft, wenn er zeitgleich Werbung für Spritschleudern entwirft. Im Frühjahr 2010 fiel der endgültige Entschluss, auch beruflich seinem Herzen zu folgen. Zusammen mit seiner Freundin betreibt er seitdem ein kreatives und auch idealistisches Ideenbüro. Statt Kampagnen für sinnlosen Konsum zu entwerfen, entstehen Internetseiten, Informationsmaterial und Ideen für Unternehmen aus der Bio-Branche und gemeinnützigen Organisationen. „Wir möchten uns privat wie beruflich mit Menschen umgeben, mit denen wir am gleichen Strang ziehen können.“