Journalisten raus aus der Filterblase

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Der Facebook-Feed bestätigt mein Weltbild, auch meine realen Freunde teilen die gleichen Werte, Arbeitskollegen haben den ähnlichen Werdegang und schwupps erreichen mich andere Meinungen und Sichtweisen mitunter nur noch spärlich. Ich sitze dann in der berühmten Filterblase. Wie wir wieder hinaus finden, diskutierten am vergangenen Samstag Journalisten auf der Medienhaus-Netzwerk-Tagung 2017 (#MHN17).

Andreas Fauth, Chefredakteur der Hörfunkschule Frankfurt, eröffnete die Tagung. Er bedauerte, dass zu diesem gesellschaftlich wichtigen Thema nur Journalisten untereinander diskutieren. „Damit sind wir schon in der Filterblase.“ Und die gäbe es schließlich nicht erst seit Facebooks Algorithmus. Daher plädierte er dafür, Quellen von Informationen stärker zu hinterfragen und bewusst mit Menschen mit anderen Meinungen zu sprechen.

The Buzzard – Themen aus der Vogelperspektive

Weil ein Großteil der Nutzer Medien und damit deren Berichterstattung als zu einheitlich wahrnehmen würde, könne ein einzelner Journalist nur wenig in Sachen Perspektivenwechsel bewegen. „In der täglichen Nachrichtenflut gehen etliche spannende Geschichten und Debatten unter“, sagte The Buzzard-Geschäftsführer Felix Friedrich – und will dies ändern.

The Buzzard versteht sich mit seiner Onlinepublikation als eine Art „Debattennavigator“. Jede Woche geht es bei einem Leitthema in Sachen pro und contra in die Tiefe. Dazu recherchieren die Redakteure in nationalen wie internationalen Veröffentlichungen, Sichten unterschiedliche Darstellungen, stellen Fakten und Argumenten übersichtlich zusammen. Zudem verlinken Sie stets auf die Originalquelle. Neben journalistischen Beiträgen, berücksichtigt The Buzzard auch Blogger, Aktivisten und Wissenschaftler. Im Alltag hat kaum ein Mediennutzer die Zeit, dermaßen vielschichtige Informationen zu suchen und vor allem zu gewichten.

Merkurist: nahe am Leser

Merkurist bietet mit seinen Portalen Lokalnachrichten aus Mainz, Frankfurt am Main und Wiesbaden. Laut Geschäftsführer Manuel Conrad stammen die Hälfte aller Themen aus Vorschlägen der Leser. Diese stellen in seinem „Snip“ der Redaktion eine Frage, andere Leser können Informationen beitragen und wenn genügend auf den „Oha-Button“ drücken, beginnt ein Redakteur mit der Recherche. Damit ist die Redaktion immer nahe am Leser und weiß, was ihn bewegt. Nach eigenen Angaben beteiligen sich zehn Prozent der Leser in Form von eingereichten „Snips“, Fotos und weiterführenden Informationen.

Sündenfall der Tageszeitungen und Filterblasen bewusst bedienen

„Es war ein Sündenfall der Tageszeitungen, sich zu stark an den Eliten zu orientieren“, gab Joachim Braun, Chefredakteur der Frankfurter Neue Presse, zu. Das öffnete einseitiger Berichterstattung Tür und Tor und andererseits seien die Eliten nur ein Bruchteil der Leser einer Tageszeitung.

Karsten Schmehl, Redakteur bei BuzzFeed, sieht in Filterblasen auch Vorteile. Man könne sich dort leichter als Experte darstellen. „Ich habe mehrere Artikel über das Saarland geschrieben, ohne jemals dort gewesen zu sein. Oder über Lippenstift, vom dem ich keine Ahnung habe.“ Nun möchte BuzzFeed neben klickstarken Entertainment-Artikeln auch mit journalistisch hochwertigen Beiträgen bekannt werden. So recherchierte Schmehl selbst investigativ in neurechten Kreisen.

Am Ende des Tages drehte sich die Diskussion auch ums Geld. Wie lässt sich vor allem vielfältiger Journalismus, der weiter und tiefer recherchiert finanzieren? „Eine direkte Finanzierung von Journalismus wird es nie geben“, meinte Joachim Braun. Ob Abomodelle, freiwilliges Bezahlen, Werbung: Jedes Medium muss seinen Weg finden.

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