Es ist früh am Morgen und der Wecker schweigt. Von alleine wache ich auf und starte in meinem Rhythmus in einen neuen Arbeitstag, denn: Ich bin frei! Seitdem ich als Journalist arbeite, bin ich als Freiberufler tätig und habe einmal das Angebot einer Festanstellung dankend abgelehnt. Mein Kollege Timo Stoppacher hat zur Blogparade #darumfrei aufgerufen, daher gebe ich gerne weitere Einblicke, warum die Freiberuflichkeit für mich der Himmel auf Erden ist.
Man könnte behaupten, die Selbständigkeit sei mir in die Wiege gelegt worden, denn schon Vater, Onkel und Großvater haben eigene Firmen gegründet. Als ich beschloss als Journalist zu arbeiten, lag es für mich nahe, dies als Freiberufler zu tun – auch weil ich die Jahre zuvor bereits als selbständiger Kaufmann aktiv war.
Solide Berufsausbildung als Grundlage
Einen Hörsaal habe ich noch nie von innen gesehen, denn als ich meinen Realschulabschluss in der Tasche hatte, wollte ich raus aus der Schule und rein in die „richtige Welt“. Das Abitur zu machen, um ein Studium absolvieren zu können, kam mir nicht in den Sinn. Alleine der Gedanke wieder stundenlang still zu sitzen und zuhören zu müssen, ließ mich schaudern.
Daher entschloss ich mich für eine kaufmännische Lehre, verdiente eigenes Geld und zu meiner Freude konnte ich nahezu alles in der Berufsschule Gelernte auch in meinem Arbeitsalltag umsetzen. Lernen bekam endlich einen Sinn, außer guten Noten zu erhalten. Eben diese kaufmännische Lehre bildet eine solide Grundlage für meine journalistische Freiberuflichkeit: Kalkulation, Buchführung und unternehmerisches Denken fließen ganz natürlich mit ein. Die Lust am Schreiben zeigte sich schon während der Lehre, weiteres journalistisches Handwerkszeug lernte ich durch Fachbücher, Austausch mit Kollegen, Seminare und „Learning by burning“ (oder: aus Fehlern wird man klug).
Freie Themenauswahl und arbeiten mit Sinn
Im wahrsten Sinne des Wortes fühle ich mich frei, meiner Berufung zu folgen. Bereits seit Jahren beschäftige ich mich mit den Schwerpunkten enkeltaugliches Wirtschaften, gesellschaftlicher Wandel und Medien – Themen, die mir am Herzen liegen und für die ich ein großes Interesse hege. Kombiniert mit journalistischem Handwerk entstehen meine Beiträge. Natürlich habe ich auch Abgabefristen oder muss mich bei Terminen mit anderen abstimmen. Doch größtenteils kann ich meine Zeit frei einteilen. Während dem Schreiben ist die Luft raus? Dann mache ich halt einen Spaziergang oder erledige ein paar Einkäufe. Muss ich für eine Recherche Unterlagen und Bücher lesen, kann ich dies je nach Wetterlage und Saison auf dem Sofa oder im Schlosspark erledigen.
Besonders schätze ich das lebenslange Lernen, denn mit jedem Beitrag, mit jedem Interview gewinne ich neue Sichtweisen. Auch das Einstellen auf unterschiedliche Auftraggeber weitet den Horizont. Dies hatte mir bei meiner rein kaufmännischen Tätigkeit gefehlt. Zudem liebe ich die Lizenz fremde Leute anzusprechen und Fragen zu stellen, die mein Beruf mit sich bringt.
Häufig begegnen mir Geschichten, die nicht alle zu einem bestimmten Medium passen. So freue ich mich, auf verschiedene Auftraggeber zurückgreifen zu können. Seit 2013 führe ich zudem meine beiden Blogs „Der Freigeber“ und „Brehl backt!“, bei denen ich redaktionell vollkommen frei bin.

Meine komplette Geschichte erzähle ich in meinem Buch „Mein Weg aus dem Burnout“ und in wenigen Wochen erscheint das Folgewerk „Die Herzensfolger“.
Als ich Ende 2008 stark am depressiven Erschöpfungssyndrom, umgangssprachlich „Burnout“ erkrankte, folgte eine lange und unfreiwillige Auszeit. In meiner Genesungsphase bereitete ich meinen beruflichen Wiedereinstieg vor und beleuchtete dafür auch die Ursachen meiner damaligen Erkrankung. Neben einer Arbeitssucht, die ich zum Glück überwinden konnte, hatte mir in der Vergangenheit mitunter der Sinn meiner Arbeit gefehlt. Damals war ich unter anderem noch für ein Großunternehmen in der Kommunikation tätig, dessen Ausrichtung streng gesehen meinen (ethischen) Werten widersprach. Aus Geldnot hatte ich dennoch Aufträge angenommen.
Heute stelle ich mir bevor ich mit einem Projekt beginne drei Fragen, denn Sinn genießt schon lange Vorfahrt: Nützt die Arbeit meiner bewussten Weiterentwicklung, beziehungsweise führt sie mich näher zu meinem wahren Selbst oder lenkt sie mich ab? Dient meine Arbeit dazu, das Allgemeinwohl zu fördern? Ist das Honorar gemessen an meinem Zeit- und Energieaufwand stimmig? Bislang habe ich noch keine dazu passende Festanstellung gefunden. Was für Außenstehende wie ein Spleen erscheinen mag, ist für mich eine wichtige Basis, um gesund zu bleiben und weiter mit Freude tätig zu sein.
Schattenseiten der Freiberuflichkeit
Im Herbst 2007 wollte ich zurück in meine Heimat Fulda ziehen und hier mein Medienbüro gründen. Viele Vermieter hören das Wort „Freiberufler“ nicht gerne, da sie (unbewusst) fürchten, man könne angesichts eines fehlenden festen Gehalts die monatlichen Mieten nicht (pünktlich) bezahlen. Doch auch ein festes Arbeitsverhältnis ist oft keine Garantie. Ich hatte Glück, denn nach anfänglicher Skepsis bekam ich doch meine Wohnung mit Heimbüro.
Zugegeben, die Freiberuflichkeit ist kein Ponyhof, denn es gibt natürlich Schattenseiten. Auch ich kenne schlaflose Nächte, in denen ich meine zu erwartenden Honorare mit meinen Zahlungsverpflichtungen verrechne und leichte Panik bekomme. In manchen Monaten verdiene ich genug Geld, aber es gibt immer mal wieder Durststrecken – besonders, wenn ich in dieser Zeit intensiv an einem Buchprojekt arbeite und ich daher weniger bezahlte Aufträge erledigen kann. Darüber hinaus leiste ich mir immer wieder den Luxus, für mich unpassende Auftraggeber abzulehnen. Meine Lösung ist ein einfacher Lebensstil, Vorausschau bei Ausgaben und eine gewisse Portion Grundvertrauen.
Ich kann durchaus verstehen, wenn Kollegen die Sicherheit einer festen Stelle suchen oder wenn sie eine haben, sie auch schätzen. In meinen Augen muss man dafür ebenso geboren sein, wie für die Freiberuflichkeit.
Weitere Informationen zu Timo Stoppachers Blogparade #darumfrei gibt es hier.